Sehen Sie auch Gefahren oder Nachteile, die der Wandel mit sich bringt?Sicher gibt es Aspekte, die berücksichtigt werden müssen. Zuallererst ist es wichtig, den „Return on Investment“-Faktor, also die Kapitalrendite, für Kunden zu analysieren. In der digitalen Welt scheint alles möglich, doch ohne einen angemessenen ROI bleiben neue Technologien schlicht Spielerei.
Hinzu kommt das Thema Sicherheit. Sobald Maschinen an eine externe Umgebung gekoppelt sind, sind sie neuen Risiken ausgesetzt. Es gibt viele Möglichkeiten mit diesen Risiken umzugehen, bisher wird dabei allerdings meist eine Einschränkung der Benutzerfreundlichkeit in Kauf genommen. Darüber hinaus werden ständig neue Sicherheitsprobleme auftreten, für die ein geeignetes Software-Update-System vorhanden sein muss. Das ist aber für Maschinensteuerungen nicht üblich. In diesem Bereich muss sich also noch einiges tun.
Drittens beinhaltet der Gedanke von Industrie 4.0 Kooperationen zwischen Unternehmen. Bei solchen Netzwerken wird die Definition des Eigentums diffus. Wer besitzt die Daten, die in einer Cloud gespeichert sind? Wer hat welche Rechte, Daten zu nutzen? Daher zögern manche Unternehmen, bestimmte Technologien anzuwenden. Dadurch wird aber das erreichbare Potenzial reduziert.
Viertens besteht bei allen technischen Möglichkeiten das Risiko, den Überblick zu verlieren. Je mehr Maschinen kommunizieren, desto mehr Daten werden für die Analyse verwendet. Hier ist es wichtig nachzuvollziehen, woher Entscheidungen kommen, welche Daten dazu geführt haben und welche Ebene die höchste Entscheidungspriorität hat.
Wie schätzen Sie den aktuellen Stand beziehungsweise den Fortschritt der Gießerei-Industrie hinsichtlich Digitalisierung und Industrie 4.0 ein?
Industrie 4.0 kommt gerade in der Gießerei-Industrie an. Basistechnologien wie M2M-Kommunikation oder Remote-Service über VPN werden schon seit geraumer Zeit eingesetzt. Jetzt fällt auf, dass Anfragen in diese Richtung zunehmen. Um das volle Potenzial der Industrie 4.0 freizusetzen, muss sowohl auf Zulieferer- als auch auf Kundenseite viel getan werden. Die Zulieferer müssen erforderliche Technologien und Kompetenzen entwickeln.
Auf Kundenseite sollte der Wert von Industrie 4.0 gegenüber bestehenden Sicherheitsansätzen abgewogen werden. Hier rechne ich mit einer schrittweisen Einführung von Industrie 4.0-Technologien in der Gießerei-Industrie, angefangen bei lokalen Lösungen bis hin zur Entwicklung von Cloud-Anwendungen und einer starken Verbindung zwischen Gießerei und Zulieferer.
Glauben Sie, die Gießerei-Branche kann etwas lernen von digitalen Pionieren wie Google, Amazon oder Uber? Dass es in der Gießerei-Branche zukünftig ganz neue Wettbewerber geben wird, vielleicht sogar aus anderen Sektoren?
Wenn man an Konkurrenten der Gießerei denkt, kommt als erstes die additive Fertigung in den Sinn. Dies ist eine sehr interessante Technologie mit vielen Anwendungsmöglichkeiten. Trotzdem müsste bei den Prozesszeiten noch viel getan werden, um ein echter Konkurrent für Seriengussprodukte zu sein.
Eine andere Art der Konkurrenz kann von der digitalen Datenseite kommen. Mit der Implementierung von Industrie 4.0 werden mehr Daten generiert und geteilt. Wie Google gezeigt hat, können Daten auf vielfältige Weise zur Erzielung von Einnahmen verwendet werden. Am Ende könnte dies dazu führen, dass herkömmliche Lieferanten durch neue IT-basierte Wettbewerber, die komplette Fabriksteuerungssysteme liefern, zu „einfachen" Hardware-Lieferanten degradiert werden. Auch wenn ich davon überzeugt bin, dass ein umfassendes Prozesswissen erforderlich ist, um gute Kontrollsysteme zu generieren, erfordert dieses Konkurrenz-Szenario sicherlich ein Umdenken oder eine Änderung des Marktansatzes.
Wenn Sie die „Gießerei der Zukunft“ mit vier Worten beschreiben sollen, welche wären das?Vollautomatisch, selbstoptimierend, sicher und sauber.
Herr Van der Hoeven, vielen Dank für das Gespräch!