Herr Fischedick, warum ist es so wichtig, dass gerade die Industrie die Treibhausemission begrenzt?
Die Industrie ist weltweit unter Einbeziehung der indirekten durch den Energieverbrauch des Sektors verursachte Emissionen für rund ein Drittel der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Auch in Deutschland ist das der Fall. Folgt man den deutschen Klimaschutzzielen, muss jeder Sektor einen entsprechenden Beitrag leisten, dies gilt auch für die Industrie. Der Klimaschutzplan der Bundesregierung sieht für die Industrie eine Reduktion der Emissionen um rund 50% bis zum Jahr 2030 (gegenüber 1990) vor.
Wie kann die Industrie aktiv und kostengünstig bei der Dekarbonisierung mithelfen?
Für die Industrie gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, Emissionen zu verringern. Aus Kostengesichtspunkten kommt es zunächst darauf an, die Möglichkeiten zur Steigerung der Energie- und Materialeffizienz so weit wie möglich auszuschöpfen. Für eine vollständige Reduktion der Treibhausgasemissionen reicht dies allein aber nicht aus. Zusätzlich notwendige Maßnahmen umfassen die Weiterentwicklung von neuen Prozessen, das sukzessive Schließen von Stoffkreisläufen durch eine Wiederverwendung von Materialien (Re-Use und Recycling) und - falls notwendig - auch die Abtrennung und Speicherung von CO2 sowie die Nutzung von CO2 als Rohstoff für die chemische Industrie. Erforderlich ist dafür nicht nur eine Erhöhung der Innovationsdynamik, sondern auch eine internationale Kooperation und der Schutz vor Verlagerung von Emissionen ins Ausland (carbon leakage).
Wie steht es derzeit um Amerika und den europäischen Raum, gerade im Vergleich mit Asien?
Die Dynamik, mit der China die Entwicklung und Umsetzung neuer Technologien voranbringt, ist sehr bemerkenswert. Treibende Kräfte sind dabei nicht nur der Klimaschutz, sondern auch massive Probleme mit der Luftqualität in den Städten und die Verringerung der Importabhängigkeit. Perspektivisch ist zu erwarten, dass die Dynamik eher noch zunehmen wird und entsprechende politische Rahmenbedingungen gesetzt werden. Ein gutes Beispiel dafür ist die Einführung von Quoten für die Elektromobilität. Deutschland und die USA sind gleichwohl in vielen Bereichen noch Weltmarktführer. Die beiden Länder müssen aber aufpassen, im Wettlauf mit China diese Position nicht kurz- bis mittelfristig in zentralen, global wachsenden Klimaschutztechnologiemärkten zu verlieren. Der Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen und das voraussichtlich deutliche Verfehlen des deutschen Klimaschutzziels für das Jahr 2020 haben international zu einem erheblichen Glaubwürdigkeitsverlust geführt. Das hat zu entsprechenden Nachteilen auf den Märkten geführt.
Zur Person
Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick studierte Verfahrenstechnik und promovierte im Bereich der Energietechnik. Er setzt sich am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie unter anderem mit Strategien zur CO2-Reduktion, Forschungs- und Technologiepolitik, 'Technology Forecasting' und nachhaltigen städtischen Infrastrukturen auseinander. Er war koordinierender Hauptautor des 'IPPC Special Report Renewable Energies', Mitglied des Energie- und Klimarates des Landes Nordrhein-Westfalen und ist derzeit Vorsitzender des virtuellen Instituts 'Transformation - Energiewende NRW'. Zusätzlich ist er Vizepräsident des Wuppertal Instituts.