Das Leitthema der Bright World of Metals, die vom 12. bis 16. Juni 2023 mit großem Erfolg in Düsseldorf stattfand, war die Transformation der Metallindustrie hin zur Klimaneutralität. Im Fokus der ausstellenden Unternehmen und Fachkonferenzen standen Technologien und Lösungen zur Dekarbonisierung, Nachhaltigkeit, Energie- und Ressourceneffizienz im Sinne einer Kreislaufwirtschaft über alle Stufen der Wertschöpfungsketten nach dem Cradle-to-Cradle-Ansatz. Mit der Initiative ecoMetals hat die Messe Düsseldorf diese Entwicklung bereits vor Jahren aufgegriffen. Entsprechend vielfältig war das Angebot der Aussteller auf den Ständen der vier Leitmessen GIFA, METEC, THERMPROCESS und NEWCAST. Insgesamt 63.262 internationale Besucherinnen und Besucher folgten der Einladung auf das Düsseldorfer Messegelände. Rund zwei Drittel aller Besucher kamen aus dem Ausland, etwa ein Drittel reiste außerhalb von Europa an.
Technologiepfade zur klimaneutralen Stahlerzeugung und die dafür notwendigen Technologien wurden auf der METEC von den großen metallurgischen Anlagenbauern Primetals, Tenova und SMS group vorgestellt. Ziel der Stahlunternehmen ist die Dekarbonisierung der Produktion über alle Prozessstufen hinweg. Die Priorität liegt jedoch aus gutem Grund auf der Dekarbonisierung der Vorstufe, der Roheisenerzeugung. Roheisen wird nach wie vor überwiegend im kohlebasierten Hochofen erzeugt und ist damit für rund 85 Prozent der CO2-Emissionen des gesamten Stahlerzeugungsprozesses in einer konventionellen Hochofen-Konverter-Route verantwortlich.
CO2-Minderung bis hin zur CO2-Neutralität lässt sich auf zwei Wegen erreichen: Durch Kohlendioxid-Vermeidung (Carbon Direct Avoidance, CDA) und Abscheidung mit anschließender Kohlendioxidspeicherung (Carbon Capture and Storage) oder Verwendung (Carbon Capture and Utilization, CCU). Sowohl auf der METEC als auch auf der GIFA wurden beide Verfahrenswege, CO2 zu vermeiden und abzuscheiden, thematisiert.
Dass mit der Dekarbonisierung neue Chancen verbunden sind, zeigen die Projekte neuer Stahlunternehmen. Noch vor wenigen Jahren galt der Bau neuer Stahlwerke in Europa angesichts weltweiter Überkapazitäten als undenkbar. Im Zeichen des Klimawandels hat sich das geändert. Allen voran die großen Automobilhersteller und -zulieferer sichern sich bereits Kontingente an CO2-reduziertem oder künftig klimaneutralem „grünem Stahl“. Zu den neuen Vorzeigeunternehmen will das erste klimaneutrale Stahlwerk H2 Green Steel gehören, das derzeit in Nordschweden gebaut wird. Ein Leuchtturmprojekt, das der metallurgische Anlagenbauer SMS group für sich verbuchen kann.
Wettbewerber Primetals kündigte auf der METEC ein Pendant im Süden an. Gemeinsam mit der spanischen Hydnum Steel gab Primetals die Errichtung eines klimaneutralen Stahlwerks im kastilischen Puertollano bekannt. Hydnum Steel will mit erneuerbarer Energie und lokal erzeugtem grünen Wasserstoff zu einem der bedeutendsten Produktionsstandorte für grünen Stahl in Europa werden. Das Werk ist als Minimill mit einer Direktreduktionsanlage zur Herstellung von festem Eisenschwamm auf Basis von Erdgas, später Wasserstoff und Elektrostahl mit erneuerbarer Energie konzipiert. Die Weiterverarbeitung erfolgt auf einer Arvedi-ESP-Endlosband-Gießwalzanlage und einem Kaltwalzkomplex. Geplant ist zunächst eine Produktion von 1,5 Millionen Tonnen Warmband pro Jahr, darunter auch hochfeste Flachstahlgüten für die Automobilindustrie. Bis 2030 kann die Kapazität auf 2,6 Mio. t warm- und kaltgewalzter Flachstähle erweitert werden.
Auch die etablierten Stahlhersteller von ArcelorMittal bis voestalpine haben den Weg zur Klimaneutralität eingeschlagen. Die Strategien sind unterschiedlich, wie die Beispiele Thyssenkrupp Steel und Salzgitter zeigen. Salzgitter stellt von der traditionellen Hochofen-Konverter-Route auf die Elektrostahlerzeugung um. Ziel ist es, mit grünem Wasserstoff in der Direktreduktion nach dem Energiron-Verfahren der italienischen Anlagenbauer Tenova und Danieli festen Eisenschwamm (direktreduziertes Eisen, DRI) zu erzeugen, der dann unter Zugabe von Schrott in einem von Primetals noch zu errichtenden Elektrolichtbogen zu Stahl verflüssigt wird. Thyssenkrupp beabsichtigt, die Roheisenerzeugung zu dekarbonisieren, die Stahlerzeugung im Sauerstoffblasstahl-Konverter (Oxygenstahlwerk) jedoch beizubehalten. SMS errichtet am Standort Duisburg eine DRI-Anlage nach dem Midrex-Verfahren. Das noch heiße DRI wird anschließend in einem Einschmelzofen verflüssigt und dem Oxygenstahlwerk zur Weiterverarbeitung zugeführt - die Rezepturen für die Stahlerzeugung bleiben also unverändert, sein „Stahlkochbuch“ kann Thyssenkrupp Steel für die rund 2.000 Sorten beibehalten.
Wege zu einer nachhaltigen und zukunftsorientierten metallurgischen Industrie standen im Fokus der Düsseldorfer SMS group. Dekarbonisierungstechnologien sowohl für Bestandsanlagen (Brownfield) als auch für den Bau neuer Anlagen (Greenfield) bildeten einen Schwerpunkt. Weitere Themen unter dem Unternehmensmotto „Turning Metals Green“ waren die Kreislaufwirtschaft und das integrierte Lifecycle-Management, zum Beispiel das Recycling von Batterien und Elektronikschrott.
Burkhard Dahmen, CEO der SMS Group bis 30. September 2023, machte deutlich, dass es bei der Transformation der internationalen Stahlindustrie kein „one size fits all“ geben könne. Zu unterschiedlich seien die einzelnen Stahlstandorte, zu unterschiedlich die lokalen und geografischen Gegebenheiten, etwa hinsichtlich der Eisenerzqualität, der Verfügbarkeit von Grünstrom und Wasserstoff, zu unterschiedlich die jeweiligen politischen Vorgaben und Rahmenbedingungen sowie die selbst gesteckten Nachhaltigkeitsziele der einzelnen Stahlunternehmen. „Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit müssen Hand in Hand gehen, damit wir substantiellen Fortschritt sehen“, betonte Dahmen. Das auf der METEC vorgestellte Portfolio zur Dekarbonisierung erstreckt sich vom Hochofen-Upgrade auf einen CO2-armen „blauen“ Hochofenbetrieb mit Synthesegasnutzung über die Dekarbonisierung integrierter Hüttenwerke durch den Umbau der Roheisenerzeugung vom kohlebetriebenen Hochofen auf Direktreduktion und Einschmelzer bis zum Bau klimaneutraler Stahlwerke mit Direktreduktion mit grünem Wasserstoff in Kombination mit einer Stahlerzeugung unter Verwendung erneuerbarer Energie im Elektrolichtbogenofen. Für die Dekabonisierung von Bestandsanlagen spielt die Elektrifizierung des Hochofens eine Schlüsselrolle. Mit der auf der METEC von SMS vorgestellten Easymelt-Technologie (electric-Assisted Syngas smelter) lassen sich die CO2-Emissionen gegenüber dem Basisbetrieb des Hochofens um mehr als 50 Prozent senken und die Technologie kann in bestehenden integrierten Stahlwerken umgesetzt werden. Das Easymelt-Konzept wird erstmals in einem Hochofen von Tata Steel im indischen Jamshedpur implementiert.
Mit seinem „Green Steel“-Portfolio war auch Primetals mit Dekarbonisierungstechnologien auf der METEC vertreten. Der internationale Anlagenbauer mit Sitz in London ist wie SMS Lizenznehmer der Midrex-Direktreduktionstechnologie. Projekte zur klimaschonenden Roheisenerzeugung führt Primetals unter anderem bei der österreichischen voestalpine durch. Für die beiden angekündigten GravitHy-Projekte in Frankreich und Finnland baut Primetals neue Direktreduktionsanlagen „Wasserstoff-ready“ für den Betrieb zunächst mit Erdgas und bei Verfügbarkeit mit Wasserstoff auf Basis erneuerbarer Energien.
In Zusammenarbeit mit Primetals verfolgt der Stahlerzeuger ArcelorMittal am belgischen Standort Gent einen alternativen Ansatz zur Dekarbonisierung der Hochofenroute mit CO2-Abscheidung und -Nutzung. Im Projekt Steelanol werden die Hochofenemissionen in einer CCU-Anlage zur Kohlenstoffabscheidung und -nutzung in Ethanol umgewandelt, das zur Herstellung nachhaltiger Brennstoffe und anderer Produkte verwendet werden kann. Die im Mai in Betrieb genommene Anlage wurde von Primetals in Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Technologiepartner LanzaTech, einem führenden Unternehmen im Bereich der CCU-Technologien, errichtet. Das erste in Gent produzierte Ethanol wurde von LanzaTech und Primetals bei einer gemeinsamen Veranstaltung auf der METEC vorgestellt. Sobald die Steelanol-Anlage voll in Betrieb ist, soll sie in der Lage sein, jährlich 125.000 Tonnen Kohlenstoffemissionen einzusparen und 80 Millionen Liter Ethanol zu erzeugen. „Das Ziel des Stahlsektors, bis 2050 eine Netto-Null-Produktion zu erreichen, hängt von der Entwicklung bahnbrechender CCU-Technologien ab“, sagte Dr. Alexander Fleischanderl, Leiter der „Green Steel“-Taskforce von Primetals. Selbst Stahlwerke, die von kohlenstoffintensiveren Produktionsmethoden auf neue Produktionsmethoden umstellten, könnten mit der LanzaTech-Technologie eine Vielzahl von Gasströmen nutzen, ohne dass die Anlagen merklich verändert werden müssten. Diese Flexibilität sei für die Zukunft der Branche äußerst interessant.
Wettbewerber Tenova hat sich mit der Energiron-Direktreduktion ebenfalls einen Spitzenplatz bei der Transformation der Stahlindustrie erarbeitet. In Düsseldorf präsentierte der italienische Anlagenbauer ein breites Portfolio an Technologien. Die Lösungen der Italiener reichen bis zum vollständigen Ersatz der Hochofen-Konverter-Route durch wasserstoffbasierte Direktreduktion und Elektrolichtbogenofen. Mit der Energiron-Technologie kann die CO2-Emission der DRI-Produktion stufenweise von Erdgas bis zum teilweisen oder vollständigen Einsatz von Wasserstoff reduziert werden. Als Hersteller von Elektrolichtbogenöfen können die Italiener auf mehr als 2.000 Referenzen weltweit verweisen und werben mit dem produktivsten DRI-gespeisten Elektrolichtbogenofen der Welt.
Einen zweiten Dekarbonisierungspfad für integrierte Stahlwerke stellt der Anlagenbauer mit seiner iBlue-Technologie vor. Dabei handelt es sich um den Ersatz des Hochofens durch Direktreduktion in Kombination mit einem Open Slag Bath Furnace (OSBF) zur Erzeugung von flüssigem Roheisen und Schlacke, vergleichbar mit dem Einschmelzofen des Wettbewerbers SMS. Der verflüssigte Eisenschwamm aus der DRI-Anlage wird als flüssiges Roheisen im Oxygenstahlwerk zu Stahl weiterverarbeitet. Der OSBF ist im Prinzip ein Schmelzreduktionsofen (Submerged Arc Furnace, SAF), eine Sonderform des Elektrolichtbogenofens, wie er z.B. zur Gewinnung von Ferrolegierungen eingesetzt wird.
Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung bestimmen auch die Entwicklungen des österreichischen Anlagenbauers Andritz. Mit einem neuartigen elektrischen Ofenkonzept zeigt der Geschäftsbereich Andritz Metals, wie in der Stahlindustrie Energie eingespart und Emissionen reduziert werden können. Für die voestalpine Wire Rod Austria hat der österreichische Anlagenbauer einen elektrisch beheizten Kammerofen entwickelt und gebaut. Mit einem Nutzvolumen von 100 Kubikmetern können Dutzende von 18 Meter langen Stahlknüppeln gleichzeitig in ein und derselben Kammer gleichmäßig auf 1.200 °C erwärmt und wieder abgekühlt werden. Das zu100% elektrisch beheize Aggregat verbraucht bis zu 25% weniger Prozessenergie im Vergleich zu einem klassischen Haubenofen mit einem konventionellen Erdgasbrenner und es entstehen vor Ort keine direkten CO2-Emissionen.
Einen weiteren Schritt zur Dekarbonisierung der metallverarbeitenden Industrie sieht Andritz in seinem Ansatz der „Green Steel Galvanizing Line“. Das Konzept der Green Steel Galvanizing Line sieht vor, fossile Brennstoffe durch eine Kombination aus hocheffizienten elektrischen Strahlrohren und Wasserstoffbrennern zu ersetzen.