Das wird für die Metall-Branche wichtig

In den kommenden zehn Jahren wird sich die Metall-Branche stärker verändern als in jedem bisherigen Jahrzehnt. Das hat vielfältige Gründe: Neben neuen Produktionsverfahren, gesetzlichen Regelungen und der Digitalisierung spielt auch der Umweltschutz eine große Rolle. Das sind die Themen, die unsin den kommenden zehn Jahren begleiten und zahlreiche Änderungen in der Industrie hervorrufen werden.

Seit hunderten von Jahren werden Metalle in Schmelzen durch Koks, Kohle oder Erdgase verflüssigt. Der Wirkungsgrad der Anlagen wurde über die Jahre verbessert, die prinzipielle Wirkungsweise blieb jedoch stets gleich. Mit einer zunehmenden Anzahl von Lichtbogen- und Induktionsöfen, die auf elektrische Energie setzen und hauptsächlich Metalle recyceln, liegt der Wirkungsgrad der Öfen deutlich höher als mit fossilen Brennstoffen. Die Elektrifizierung der Stahlproduktion wird insbesondere möglich, da immer weniger neue Metalle produziert werden müssen. Die Recycling-Quote in Europa liegt so hoch wie nie zuvor: Rund 70 Prozent des produzierten Aluminiums wurden lediglich erneut eingeschmolzen. Dieser Trend führt sich in den nächsten Jahren fort, da die Wiederverwertung kostengünstiger wird als die Neugewinnung von Erzen.

Auch die Langlebigkeit der Produkte wird wieder wichtiger. Mit den richtigen Legierungen und Beschichtungen können Metalle viel länger im Einsatz bleiben als ohne besondere Behandlung. Während Auto-Karosserien häufig ausreichend vor Korrosion geschützt sind, ist die Industrie etwas rückschrittiger. Die Wirtschaftsleistung wird durch Rost jedes Jahr um rund vier Prozent verringert. Ein gutes Beispiel, wie die Industrie ohne Korrosionsschutz aussehen würde, sind die zahlreichen stillgelegten Zechen und Öfen im Ruhrgebiet, die seit Jahren verrosten.

Leichtbau: Gleiche Leistung bei weniger Gewicht
Steigende Rohstoffkosten und Vorstöße in Sachen Umweltschutz werden zusätzlich dafür sorgen, dass aus Metall hergestellte Produkte in Zukunft - gerade in der Massenfertigung - immer leichter werden. Weniger Metalle müssen geschmolzen werden, gleichzeitig profitieren beispielsweise Autos durch weniger Gewicht, das bewegt werden muss. Der Umschwung auf Leichtbau ist nicht gleichbedeutend mit einer Verringerung der Belastungsfähigkeit. Mit computergestützten Berechnungen lassen sich Bauteile mit gleichen Anforderungen gestalten, die trotzdem deutlich weniger wiegen und zum Beispiel statt Stahl aus Aluminium gefertigt werden.

Das Hauptthema des kommenden Jahrzehnts wird mit Sicherheit der sorgfältige Umgang mit natürlichen Ressourcen werden. Der Bedarf von fossilen Brennstoffen und die Produktion vom Treibhausgas CO2 sind europaweit große Faktoren, die gesellschaftlich und politisch stark diskutiert werden. Der Umweltschutz wird die Branche immer weiter begleiten und ein noch wichtigeres Kriterium werden.

Neben der gesellschaftlichen Verantwortung wird es auch wegen Regelungen wie der CO2-Abgabe nötig werden, schnellstmöglich umweltschonende Fertigungsverfahren zu implementieren. Der europäische Emissionshandel wird die Lage zwar vorerst etwas entspannen. Die mit der Zeit knapper werdenden Lizenzen stellen die gesamteuropäische Wirtschaft jedoch vor Herausforderungen.

Wie sich die Industrie anpassen kann, präsentiert unter anderem Thyssenkrupp. Das Unternehmen rüstet in Duisburg einen Hochofen mit Technik aus, die Wasserstoff als primäre Energiequelle nutzt. Seit 2019 laufen die ersten Versuche, statt 300 Kilogramm Koks und 200 Kilogramm Kohlenstaub wird nun reiner Wasserstoff eingesetzt. Dieser zersetzt sich nach Verbrennung in normales Wasser, es entsteht kein CO2.

Der Wasserstoff kann direkt aus Wasser extrahiert werden, dafür sind allerdings ebenfalls große Energiemengen vonnöten. Deswegen ist es sinnvoll, das Gas mithilfe von Ökostrom zu gewinnen. Gleichzeitig muss die Wasserstoff-Infrastruktur ausgebaut werden: Auch die Elektromobilität könnte auf Brennstoffzellen setzen und auf Lithium-Akkus verzichten. Durch ein gut ausgebautes Netzwerk würden die Preise in der Produktion sinken und die Umrüstung auf Wasserstoff in der Industrie wirtschaftlicher machen.

Auch die Salzgitter AG will mit SALCOS die Emissionen deutlich verringern. Das Prinzip ist ähnlich: Auch hier wird auf Wasserstoff als Energieträger gesetzt. Bei der Direktreduktion im Hochofen mit hinzugegebenem Erdgas wird das entstehende CO2 herausgefiltert.

Speichermöglichkeiten für Kohlenstoffdioxid sind bisher nicht weit verbreitet, gewinnen jedoch schnell an Relevanz: Mit CCS (Carbon Dioxide Capture and Storage) lässt sich das Treibhausgas sammeln und speichern. Nur so ist es in den Augen vieler Experten möglich, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2050 ausreichend einzudämmen. Die Konstruktion solcher Anlagen und die unterirdische Speicherung sind kostspielige Prozesse, die allerdings in Zeiten der CO2-Steuer und weiterer Restriktionen evaluiert werden müssen. Die unterirdische Speicherung von Erdgas ist bereits erprobt, CO2 lässt sich ähnlich sammeln. Mehrere Dutzend Testanlagen mit einer Speicherkapazität von mehreren Millionen Tonnen CO2 stehen bereits. Als Brückentechnologie zur komplett grünen Produktion für energieintensive Industrien kann CCS eine Chance sein. In Deutschland ist CCS bisher nicht etabliert, Risiken wie das Entweichen des Gases oder die Verschmutzung des Grundwassers sind Hindernisse.

Komplett elektrische Erhitzungsverfahren für die Metallverarbeitung sind zwar effizienter als mit Kohle oder Gas. Trotzdem ist der in Deutschland bezogene Strommix - vor allem nachts - immer noch recht dreckig. Die nächtliche Grundlast wird zu rund 14 Prozent von Atomkraft getragen, Kohle trägt mehr als 20 Prozent bei. Rund zehn Prozent stammen aus verbranntem Erdgas. Jede in Deutschland bezogene Kilowattstunde erzeugt im Tagesmittel ca. 300 Gramm CO2. Um rund um die Uhr laufende Anlagen klimafreundlicher betreiben zu können, werden Stromspeicher im industriellen Ausmaß immer interessanter: Tagsüber werden Akkus, Wasserspeicher oder Schwungräder mithilfe von regenerativen Energien "aufgeladen". Die grün erzeugte und gespeicherte Energie kann dann nachts ohne weitere Emissionen genutzt werden. Noch sind Speichersysteme für energieintensive Branchen nicht ausgereift, im kommenden Jahrzehnt wird sich hier aber einiges tun.

Schon über die letzten zehn, wenn nicht gar 20 Jahre wurde die Digitalisierung als wichtiger Innovations- und Produktivitäts-Treiber beschrieben. Und Jahr für Jahr gibt es neue Buzzwords: Nach der Automatisierung der ersten Prozesse folgte die Industrie 4.0, nun sind Vokabeln wie Big Data, Künstliche Intelligenz, Cybersecurity und 5G-Netzwerke in jedermanns Mund. Das wird sich in absehbarer Zeit nicht ändern: Die Digitalisierung ist ein in Deutschland langsam voranschreitender Prozess, der Zeit benötigt. Gleichzeitig gibt es Jahr für Jahr weitere Trends, die ihre wahren Auswirkungen erst mit der Zeit offenbaren.

Doch nicht jeder Hype muss direkt angegangen werden: In vielen Unternehmen wird eine künstliche Intelligenz den Produktionsablauf nur geringfügig verbessern können, viele Firmen werden mit 5G niemals in Kontakt kommen. Dennoch bildet sich derzeit ein neuartiges Infrastruktur-Framework, welches die veraltete deutsche Industrie an so manchen Stellen wieder wettbewerbsfähiger machen kann. Und trotzdem ist der Umstieg auf digitale Zwillinge und Big Data zur Prozessoptimierung, verstärkter Einsatz von 3D-Druckern, die Ausweitung von Cybersicherheitsmaßnahmen, eine vernetzte Logistik und 5G als zukünftiger Kommunikationsstandard nichts, was auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Zahlreiche Unternehmen aus dem fernen Osten zeigen schon heute, welche Vorzüge alle Techniken zusammen bieten.

Die nächsten zehn Jahre werden die Metall-Branche so verändern, wie es bisher nur die Industrialisierung geschafft hat. Auf der einen Seite bieten sich viele Möglichkeiten zur Verbesserung der Prozesse: Neue Verfahren, bessere Vernetzung der einzelnen Anlagen und viele Optimierungen im kleinen werden die kommenden Jahre zur effizientesten Zeit seit Beginn der Industrialisierung machen. Auf der anderen Seite stehen internationale Bemühungen, die Klimakrise zu verhindern und die daraus resultierende gesellschaftliche Verantwortung. Nur mit Investitionen, Forschung und dem eigenen Willen, die Umweltbelastung zu senken, werden europäische Unternehmen den Klimazielen gerecht.