Der deutsche Industriestandort hat sich im vergangenen Jahr nicht gut gemacht, zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Der Strukturwandel erhöht den Druck, die Politik hat keine Wahl: Deutschland muss Standortpolitik betreiben.
Momentan steckt Deutschland in einer wirtschaftlichen Flaute. Das hat unterschiedliche Gründe: zum einen die Nachwehen der Pandemie, zum anderen sorgt der Krieg in der Ukraine nach wie vor für globale Unsicherheit und hohe Energiepreise. Die schwierige Lage hat allerdings auch größtenteils strukturelle Gründe. Das zeigen neue Zahlen des IW-Standortindex, für den das IW regelmäßig die Wettbewerbsfähigkeit von 45 Industrieländern vergleicht. Deutschland kommt dort insgesamt auf einen passablen vierten Platz, nach der Schweiz, Australien und Dänemark. Der Schein trügt allerdings: Der Index zeigt alarmierende Entwicklungen.
Vergleich im Detail
Schon lange ist Deutschland Hochkostenland, zuletzt hat sich die Situation weiter verschlechtert. Im Vergleich zu 2018 ist das Land von Platz 37 auf 44, den vorletzten Platz, gefallen. Neben teurer Energie liegt das vor allem an hohen Unternehmenssteuern und Personalkosten. Gegenüber 2018 rutscht Deutschland bei der staatlichen Performance von Platz 8 auf 11. Dahinter stehen immer längere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Sie behindern Investitionen und treiben die Kosten.
War Deutschland bei der Infrastruktur lange Weltklasse, verliert das Land hier nun den Anschluss. Kaputte Brücken, Schienen und Straßen sowie der schleppende Breitbandausbau lässt Deutschland von Platz 2 auf Platz 6 fallen.
Verantwortung vom Staat
Die Wettbewerbsfähigkeit dürfe sich durch die laufende Anpassung an Klimawandel, Digitalisierung und die geopolitischen Krisen nicht weiter verschlechtern. Zum einen, weil die Unternehmen heute hohe Kosten für Investitionen tragen müssen, von denen sie erst profitieren, wenn der Ausbau der Erneuerbaren Energien tatsächlich fortgeschritten ist. Zum anderen, weil sie aus geopolitischen Erwägungen – etwa im Falle Chinas – Entscheidungen treffen müssen, die sich einzelwirtschaftlich nicht lohnen. All das verpflichtet den Staat, zumindest einen Teil der immensen Kosten zu übernehmen – andernfalls droht eine Deindustrialisierung.
Dauersubventionen stellen keine Lösung dar
Die staatlichen Hilfen muss hierbei genau unter die Lupe genommen werden. Unbefristete, bedingungslose Subventionen laufen Gefahr, den Anpassungsprozess der Unternehmen zu unterbinden oder in einem Subventionswettlauf zu enden. Zielen sie auf einzelne Unternehmen oder Branchen ab, maßt sich der Staat an, zu verstehen, wo der Wandel stattfinden soll – das kann aber nur der Markt. Stattdessen braucht es breite Hilfen, die die Investitionsbedingungen verbessern – und gleichzeitig für die Unternehmen Anreize erhalten, die Transformation voranzutreiben.
„Es ist fraglich, inwiefern die hohen Einzelsubventionen für die Halbleiterindustrie dazu beitragen, den Wirtschaftsstandort auf breiter Basis zu verbessern. Anders ist es beim Brückenstrompreis, wie ihn der Wirtschaftsminister vorschlägt: Er ist an den Börsenstrompreis gebunden. Wenn Sonne und Wind den Strom günstiger werden lassen, läuft der aus – das erhält den Anreiz, in Erneuerbare zu investieren. Dafür müssen zudem die Stromsteuer auf EU-Niveau abgesenkt, die Netzentgelte reformiert und ein EU-Energiebinnenmarkt vorangetrieben werden.“, erklärt IW-Direktor Michael Hüther.