Effizenzbooster Retrofit: Energiekosten senken durch Modernisierung

Am 15. April gingen die verbliebenen drei Kernkraftwerke vom Netz. Was auch immer man von der Kernenergie halten mag; Fakt ist, dass die technologische Vielfalt der Stromerzeugung damit reduziert wurde – und das inmitten einer seit Jahren andauernden Energiekrise. Ob am Standort Deutschland zukünftig noch energieintensive Produktion möglich ist, entscheiden Flexibilität und Ideenreichtum der Branche. Ein sinnvoller Ansatz ist die Modernisierung von Bestandsanlagen – Retrofit kann zum rettenden Effizienzbooster in schweren Zeiten werden. 

Branche fordert Industriestrompreis 

Hart getroffen von den Preissprüngen am Energiemarkt sind insbesondere energieintensive Unternehmen der Stahl- und Aluminiumindustrie, der Wärmebehandlung und Gießereibranche. Einige Unternehmen mussten ihre Produktion bereits herunterfahren oder umstellen. In der Zuliefererindustrie beurteilen nur rund ein Drittel aller Unternehmen ihre derzeitige Lage als "gut", wie die Arbeitsgemeinschaft Zuliefererindustrie kürzlich mitteilte.

Gegenüber der Fachzeitschrift Prozesswärme betonte Dr. Georg Geier, Geschäftsführer der Siempelkamp Gießerei, bereits im Sommer: „Irgendwann ist es nicht mehr wirtschaftlich, am Standort Deutschland energieintensive Produktion zu betreiben. Aber unser Ansporn ist es, diese Grenze durch intelligente Lösungen immer weiter hinauszuschieben.“ Dies gelinge jedoch nur, wenn auch die industriepolitischen Rahmenbedingungen stimmen. Deshalb fordert Dr. Geier: „Wir benötigen einen einheitlichen Industriestrompreis. Dieses Instrument wäre geeignet, um die Transformation in der Industrie hin zu erneuerbaren Energien zu beschleunigen“.

Doch solange die Forderung nach einem Industriestrompreis ungehört bleibt, muss sich die Branche eigene Lösungen einfallen lassen. Ein langfristig sinnvoller Weg ist dabei die Modernisierung bestehender Anlagentechnik durch so genannte Retrofits.  

Je höher die Energiekosten sind, desto schneller amortisieren sich Investitionen in Retrofits. „Wir sind den Kunden viele Jahre hinterhergelaufen, um sie von einer Modernisierung zu überzeugen. Die meisten haben bis vor Kurzem gezögert; jetzt hat das Modernisierungsgeschäft richtig Fahrt aufgenommen“, betont Ludewig. Sämtliche Unternehmen der Branche arbeiteten derzeit an Lösungen, um ihre Produktion energieeffizienter zu machen. Auch seit langem geplante Energiesparmaßnahmen versuche man nun früher umzusetzen.

Schnellere Amortisierung bei höheren Energiekosten

Diese Beobachtung macht auch Dr. Olaf Irretier, Geschäftsführer der Industrieberatung für Wärmebehandlungstechnik (IBW) GmbH. Dr. Irretier berät Unternehmen, die Modernisierungsmaßnahmen oder Investitionen in Betriebserweiterungen und -umbauten planen. „Übergreifend ist das Thema Beheizung wegen des Kostendrucks und der akuten Versorgungsängste vieler Unternehmen klar im Fokus. Viele Betriebe sind jetzt gefordert, neue Wege zu gehen“, erklärt er. „Ein Return of Investment von drei bis fünf Jahren ist realistisch. Bei gasbeheizten Systemen darf man von ähnlichen Größenordnungen ausgehen. Die Investitionen bekommt man durch optimierte Prozesse und auch durch die Anlagensicherheit wieder heraus.“

Sogar Klimaneutralität sei auf dem Wege der Modernisierung von Anlagen denkbar. Addiere man elektrische Beheizung auf Basis erneuerbarer Energien und Wasserstoffbeheizung, ergebe dies eine klimaneutrale Härterei. „Daran hat vor einem Jahr noch niemand gedacht“, erklärt Irretier.

Modernisierung im laufenden Betrieb?

Auch wenn Umbauten und Umstellungen derzeit gefragt sind, erfordert die Umsetzung solcher Projekte erheblichen Planungsaufwand. „Besonderes Fingerspitzengefühl ist zudem immer dann erforderlich, wenn die Umstellung während der Produktion erfolgen muss und es zu keinen Störungen kommen darf, um die Produktqualität nicht zu beeinträchtigen“ betont Dirk Mäder, Prokurist und Bereichsleiter Technik & Vertrieb der Noxmat GmbH. 

„Bei Retrofits ist der erforderliche Umbauaufwand deutlich komplexer.“ Denn Retrofits seien meistens sehr umfangreiche Projekte. Besonders beliebt sei der Umbau von Anlagen von Gas- auf Strombeheizung: „Umbauten mit elektrischen Beheizungssystemen sind derzeit ein echter Renner“, so Mäder. Auch wenn der Umbau aufwändig ist, sollte kein Unternehmen zögern, in der aktuellen Lage neue Projekte zu planen und möglichst zeitnah umzusetzen: „Die Energiepreise werden nicht wieder auf das Vorkriegsniveau fallen. Daher lohnen sich Investitionen in Effizienzsteigerungsmaßnahmen immer.“ 

Deutliche Steigerung der Produktivität und Flexibilität 

Der Ablauf des Projekts ist beispielhaft für eine gelungene Modernisierung: Als Generalunternehmer verantwortete Aichelin Service das Projektmanagement sowie die Ausführung der Leistungen aller beteiligten Partner und Sublieferanten. Die Rahmenbedingungen waren herausfordernd: Ursprünglich war die Projektlaufzeit für November 2021 bis Juni 2022 geplant. Dies galt als zeitkritisch, da parallel die Produktionssicherheit gewährleistet werden musste. Die Anlagen wurden daher schrittweise nacheinander umgerüstet.

Durch die Steigerung seiner Produktivität im Bereich Wärmebehandlung stärkt der SKF-Standort Lüchow jetzt seine Wettbewerbsfähigkeit. Auch für weitere Anlagenmodernisierungen – u. a. zur Sicherstellung und Erhöhung der Anlagensicherheit – ist SKF bereits im Gespräch mit Aichelin Service.