In dieser Ausgabe beleuchten wir einen besonders spannenden Aussteller auf der THERMPROCESS: Das Institut für Elektroprozesstechnik (ETP) der Leibniz Universität Hannover.Es gehört zur Fakultät für Elektrotechnik und Informatik und ist inauf dem Gebiet der industriellen Elektroprozesstechnik tätig. EinSchwerpunkt des 1928 gegründeten Institutes istdie Entwicklung elektrothermischer Prozesseund Anlagen sowie die nachhaltige Energienutzung für industrielle Prozesswärme. Was das Institut so besonders macht? Wir erklären es Ihnen.
Schwerpunkte
Die aktuellen Projekte des Instituts umfassen das induktive Erwärmen zum Umformen, zum Wärmebehandeln, zur Banderwärmung und zum Schweißen. Beim induktiven Schmelzen liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung neuer Schmelzprozesse für hochtemperaturfeste Werkstoffe. Die Arbeiten zur elektromagnetische Materialbeeinflussung umfassen hingegen die Prozessierung von Materialien. Dazu gehört auch die Behandlung und Optimierung nichtlinearer elektrothermischer und magnetofluiddynamischer Prozesse und Anlagen.
Zur nachhaltigen Energienutzung in der industriellen Thermoprozesstechnik untersuchen die Wissenschaftler primärenergetische und klimarelevante Auswirkungen verschiedener Energieträger. Die Forschungen umfassen die energetische und thermische Analyse sowie das Energie- und Lastmanagement industrieller Anlagen einschließlich der Entwicklung und Umsetzung von Transformationskonzepten zur Defossilisierung.
Die meisten Projekte bearbeitet das ETP in enger Kooperation mit nationalen und internationalen Partnern aus Industrie und Forschung. Das Tätigkeitsfeld erstreckt sich dabei von anwendungsorientierter Grundlagenforschung bis hin zur industrienahen Entwicklung. Zu allen Arbeitsfeldern bietet das Institut über die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit hinaus Beratung und Dienstleistungen für Unternehmen und öffentliche Einrichtungen an. Das Institut verfügt zudem über vielfältige, langjährige Kontakte zu internationalen universitären Forschungseinrichtungen. Dies ermöglicht eine interdisziplinär ausgerichtete, nationale und internationale Zusammenarbeit.
Forschung zu Nachhaltigkeit und Defossilisierung industrieller Wärmeprozesse
Die Industrie nutzt etwa 28% der Endenergie in Deutschland. Damit bildet sie den Sektor mit dem zweithöchsten Energiebedarf. Wärmeprozesse dominieren dabei mit einem Anteil von etwa 2/3 des Gesamtbedarfes. Die Wärmebereitstellung der Industrie erfolgt aktuell mit einem Anteil von ca. 85% fast ausschließlich durch fossile Energieträger. Aus all dem folgt, dass die industrielle Prozesswärme- und Kältebereitstellung heute einen Anteil von knapp 15% der jährlichen CO2-Emissionen in Deutschland verursacht. Daher bietet die Wärmebereitstellung auf Basis erneuerbarer Energien ein großes Potenzial für die Emissionsreduktion der Prozessindustrie und damit für das Erreichen der Klimaziele von EU und Bundesregierung.
Vor diesem Hintergrund untersucht das ETP in Zusammenarbeit mit Industrieunternehmen und Verbänden derzeit Wege zur nachhaltigen Energienutzung durch Defossilisierung von industriellen thermischen Prozessen. Parallel entwickelt es entsprechende Transformationskonzepte.
Allerdings bieten industrielle Wärmeprozesse eine Besonderheit: Es gilt, die weite Spanne der Anwendungen mitsamt ihren technologischen Anforderungen wie Temperaturbereiche, Wärmebedarfe, Heizleistungen, Ofenabmessungen und -atmosphären zu berücksichtigen. Außerdem fließen u.a. Zuverlässigkeit und Volatilität der Energieversorgung, Möglichkeiten der Energiespeicherung sowie wirtschaftliche Aspekte, z.B. Investitions- und Betriebsaufwand und nicht zuletzt politische Rahmenbedingungen in die Untersuchungen des ETP ein.
Substitution fossiler Energieträger durch Erneuerbare
In vielen Anwendungen kann Prozesswärme durch die Verbrennung fossiler Energieträger oder durch die Nutzung erneuerbarer Energiequellen realisiert werden. Je nach Anforderung des Erwärmungsprozesses, wie Temperatur, Leistung oder Energieintensität, eignen sich verschiedene regenerative Energiequellen als Alternative zu fossilen. Beispielsweise können in Abhängigkeit vom Temperaturniveau fossile Brennstoffe zur Erzeugung von Prozessdampf substituiert werden, z. B. durch solare oder geothermische Wärmequellen, durch den Einsatz von Hochtemperatur-Wärmepumpen oder durch mit Ökostrom betriebene Elektrodendampfkessel. Wesentlich anspruchsvoller in der Substitution sind industrielle Hochtemperatur- und Hochleistungsheizprozesse, z.B. bei Anwendungen in der Eisen- und Stahlindustrie. Hier muss mehr berücksichtigt werden: spezielle Prozessparameter wie zeit- und ortsabhängige Prozesstemperaturverteilung im Produkt, Leistungsdichte, Ofenabmessungen und -durchsatz, Ofenatmosphäre, metallurgische Aspekte, chemische Reaktionen und vieles mehr.
Die Wärmebereitstellung durch Nutzung elektrischer Energie ist grundsätzlich für alle erforderlichen Prozesstemperaturen eine Option zur nachhaltigen Defossilisierung. Dabei ermöglichen elektrothermische Verfahren, wie z.B. die Widerstandserwärmung sowie induktive oder dielektrische Verfahren, die direkte, effiziente und vielseitige Nutzung von erneuerbarer elektrischer Energie.
Ausblick: Elektrothermische Verfahren werden immer wichtiger
Das ETP sieht seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte auch in Zukunft in der Entwicklung elektrothermischer und elektromagnetischer Verfahren, Prozesse und Anlagen. Insbesondere für die Herstellung neuer Materialien und Produkte bietet die Elektroprozesstechnik vielseitige Entwicklungspotentiale. Sie ermöglicht heute noch nicht sichtbare, innovative Lösungen. Vor dem Hintergrund der Defossilisierung industrieller thermischer Prozesse werden die Arbeiten zur nachhaltigen Energienutzung in der Prozesstechnik durch die Anwendung elektrothermischer Verfahren einen immer höheren Stellenwert am ETP bekommen.
Die engen Kontakte zu Anlagenherstellern und industriellen Anwendern stellen sicher, dass das Institut stets praxisnah arbeitet und die Lehrtätigkeit auf dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik ist. Insbesondere die Einbindung von Studierenden und wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen in die industrienahe Forschung stellt eine wichtige Verknüpfung zwischen Lehre und Praxis sicher.