Die Stahlindustrie muss ihre Emissionen senken. Ein Lösungsweg grüner Transformation könnte darin bestehen, nicht nur zu überdenken, wie, sondern auch wo die Stahlherstellung weltweit stattfindet, wie die Autoren einer Studie der Beratungsfirma McKinsey festhalten. Die DRI-Produktion beispielsweise könnte in Regionen mit Zugang zu kostengünstigem Erdgas bzw. Wasserstoff und Eisenerz angesiedelt werden, die Rohstahlproduktion in Regionen günstiger erneuerbarer Energien. Viele Stahlunternehmen haben bereits mit der Dekarbonisierung begonnen und untersuchen alternative Technologien zur klassischen kohlebasierten Hochofenroute wie den Einsatz von Schrott, direkt reduzierten Eisen (DRI), verschiffbarem heißbrikettierten direktreduzierten Eisen (HBI), sowie die Integration von grüner Energie und die Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung (CCU). Nach einer Analyse von McKinsey müssen weltweit mehr als 1 650 bestehende Anlagen dekarbonisiert werden, um die Emissionsziele zu erreichen, was gleichzeitig den Bedarf an grüner Energie erhöhen wird.
Nach McKinsey wird eine erfolgreiche Strategie in den kommenden Jahren darin bestehen können, neue Drehscheiben für grünen Stahl an Standorten mit günstigem Zugang zu kostengünstiger Energie und den richtigen metallischen Rohstoffen zu errichten. Diese Knotenpunkte seien kein Allheilmittel für die Dekarbonisierung der gesamten Branche, aber sie könnten die Bemühungen bestehender Stahlunternehmen mit Technologien wie Direktreduktion und Elektrolichtbogenofen sowie Kohlenstoffabscheidung (integrierte DRI-EAF-Anlagen, CCU usw.) ergänzen, kurz- bis mittelfristig Teil von Hybridlösungen werden und der Branche helfen, die Nachfrage nach grünem Stahl in kritischen Branchen wie der Automobilindustrie, dem Maschinenbau und dem Bauwesen zu decken.
Globale Lieferketten umgestalten Heute erfolgt die Stahlproduktion überwiegend in integrierten Stahlwerken auf Basis der kohlebasierten Hochofen-Sauerstoffblasstahlkonverter-Route (BF-BOF). Diese kombinieren die vorgelagerte Eisen- und Stahlerzeugung mit der nachgelagerten Produktion von Fertigerzeugnissen (z. B. Warmwalzen und Oberflächenveredelung). Diese traditionellen Anlagen sind auf Koks angewiesen, um Eisenerz zu reduzieren, und weisen hohe Emissionen auf.
Um den Kohlenstoffausstoß zu verringern und gleichzeitig die Nachfrage zu befriedigen, müssen die Stahlunternehmen Alternativen zu den hochemittierenden BF-BOF-Anlagen finden. Dazu könnten die Herstellung von DRI mit grünem Wasserstoff (möglicherweise unter Verwendung von Erdgas als Brückenkraftstoff), die Verwendung von mit erneuerbaren Energien betriebenen Vorschmelzöfen und Elektrolichtbogenöfen (EAF) zur Stahlherstellung sowie die Integration von Lösungen zur Kohlenstoffabscheidung gehören. Dies könnte auch die Schaffung von Hybridlösungen beinhalten, wie z. B. die Verwendung von Schrott in Kombination mit HBI, der in Regionen mit niedrigen Energiekosten produziert und zum Elektrostahlwerk transportiert wird, wo Schrott und HBI geschmolzen werden, um eine optimierte Beschaffung von beiden zu ermöglichen, wie die Analysten schreiben.
Im Zuge der Umstrukturierung ihrer Anlagen könnten die Unternehmen auch eine Neuordnung der regionalen Stahlwertschöpfungsketten in Erwägung ziehen, möglicherweise in Form von sogenannten von „Green-Steel-Hubs“. Diese klimaschonenden Stahldrehscheiben könnten in verschiedenen Formen entstehen. Eine Option wäre mit Hubs für „grünes“ Eisen die Eisenerzeugung von der Rohstahlproduktion zu entkoppeln. Auf diese Weise könnten beide Prozesse optimal platziert werden: Die DRI-Produktion könnte in Regionen mit günstigem Zugang zu kostengünstigem Erdgas oder Wasserstoff und Eisenerz angesiedelt werden, und die Rohstahlproduktion in Regionen mit günstigem Zugang zu erneuerbaren Energien erfolgen. Das produzierte Eisen könnte in Form von HBI zwischen den Regionen verschifft werden, um den Transport über weite Strecken zu den Elektrostahlwerken zu erleichtern.
Für eine effektive Lösung sei eine branchenübergreifende Zusammenarbeit von entscheidender Bedeutung. Die Unternehmen müssten sich überlegen, wie sie am besten vorgehen. Eine Kombination von Lösungen sei wahrscheinlich am vorteilhaftesten - insbesondere eine Mischung aus integrierter DRI-EAF-Produktion und HBI-Importen von Ökostahl-Hubs mit Elektrostahlwerken. Dazu untersuchte McKinsey die Bausteine, die für Akteure, die Green-Steel-Hubs als Teil ihres Dekarbonisierungspfades Betracht ziehen, vorhanden sein müssen.
Bisher größte Umstrukturierung der Stahlindustrie Weltweit gibt es zwei Hauptproduktionswege für Stahl, die jeweils unterschiedliche CO2-Fußabdrücke haben: die integrierte BF-BOF-Route, die weltweit mehr als 650 Anlagen umfasst, und die (schrottbasierte) EAF-Route, die weltweit mehr als 1 000 Anlagen umfasst.
Obwohl die (schrottbasierte) EAF-Route weniger Emissionen verursache als die BF-BOF-Route und vollständig mit erneuerbaren Energien betrieben werden könnte, reiche das Schrottaufkommen voraussichtlich nicht aus, um die weltweite Nachfrage zu decken. Zudem lasse sich über die EAF-Route auf Schrottbasis nur ein begrenztes Produktportfolio erzeugen. Die Industrie wird folglich Wege finden müssen, um die BF-BOF-Route zu dekarbonisieren, insbesondere die stark emittierende vorgelagerte Eisenproduktion.
Stromkosten sind die Triebfeder für künftige Wettbewerbsfähigkeit In der Vergangenheit wurden die Kosten der Stahlproduktion von den Kosten für Eisenerz und Kokskohle bestimmt. Da Koks und Kohle globale Märkte haben, waren die Unternehmen aufgrund ihrer eigenen betrieblichen Effizienz wettbewerbsfähig. Dies wird sich nach McKinsey voraussichtlich ändern, da die Industrie von kohle- und koksbetriebenen Verfahren abrückt und zunehmend von Elektrizität abhängig wird. Bei der Herstellung von grünem Stahl wird keine Kokskohle verwendet, sondern es werden erhebliche Mengen an elektrischer Energie benötigt, insbesondere bei der Eisenerzeugung. Für eine Tonne DRI werden zum Beispiel mehr als 60 Kilogramm (grüner) Wasserstoff benötigt, was 2 700 Kilowattstunden Strom pro Tonne DRI entspricht. Insgesamt entfallen nach einer Analyse von McKinsey 40 bis 50 Prozent der Produktionskosten für grünen Stahl auf Strom (einschließlich des Stroms für die Wasserstofferzeugung). Folglich wird erwartet, dass regionale Schwankungen bei den Strompreisen (zusätzlich zu den Eisenerzpreisen) sowohl die Kosten als auch die Wettbewerbsfähigkeit der Ökostahlproduktion beeinflussen.
Neue Wertschöpfungsketten Eine neue, für grünen Stahl optimierte Wertschöpfungskette könnte laut McKinsey auf unterschiedliche Weise entstehen. Die Unternehmen könnten weiterhin integrierte Anlagen verwenden (DRI-EAF statt BF-BOF), aber sie könnten sich auch dafür entscheiden, den Prozess an verschiedenen Stellen zu unterbrechen, um Energiekostenvorteile zu nutzen und den Aufbau von Ökostahlkapazitäten zu beschleunigen. Die Analysten halten es für wahrscheinlich, dass viele Unternehmen die verschiedenen Lösungen kombinieren werden.
Mit Blick auf die Zukunft müssten die etablierten Stahlunternehmen sorgfältig abwägen, welche Auswirkungen die teilweise Aufgabe der vertikalen Integration hat. Der Verzicht auf die vertikale Integration ermögliche es ihnen zwar, Investitionsausgaben zugunsten von Betriebsausgaben zu verlagern und die Kosten der Dekarbonisierung zu senken, bedeute aber auch, einen Teil der Wertschöpfung aufzugeben.
Eine vielversprechende Option, um Energiekostenvorteile und Wertschöpfungsmöglichkeiten in Einklang zu bringen, sei die Schaffung von Produktionszentren, die sich ausschließlich der energieintensiven DRI-Produktion widmen. Das produzierte Eisen könnte dann zu HBI brikettiert werden, um es als Ausgangsmaterial für EAF-Stahlwerke zu transportieren.
HBI-Zentren könnten die Produktion von grünem Stahl beschleunigen Grüne Stahlzentren, die HBI produzieren, könnten aufgrund einiger Vorteile dazu beitragen, die Dekarbonisierung der Stahlindustrie zu beschleunigen:
- HBI-Hubs können den Prozess der Eisenerzeugung isolieren, so dass dieser leichter dekarbonisiert werden kann, während die Unternehmen die direkte Kontrolle über die nachgelagerten Produktionsprozesse von grünem Stahl behalten können.
- Hubs können an Standorten errichtet werden, an denen die Einführung von kostengünstiger erneuerbarer Energie schnell erfolgen kann.
- Neue Anlagen auf der grünen Wiese könnten Investoren dazu ermutigen, Finanzmittel bereitzustellen.
Die Errichtung von Green-Steel-Hubs in Regionen mit diesen Bedingungen (u. a. im Nahen Osten, Ozeanien und Südamerika) könnte sich als vorteilhaft erweisen, solange gleichzeitig die Logistikkosten für die Abnehmer wettbewerbsfähig sind. Um die HBI-Produktion über Green-Steel-Hubs zu steigern, müssten die HBI-Schmelzkapazitäten an bestehenden Stahlstandorten durch den Bau neuer Elektrostahlwerke oder Vorschmelzanlagen erhöht werden.
Green-Steel-Hubs müssten auch mit den Dekarbonisierungsplänen der Abnehmer in Einklang gebracht werden. Auf vielen Märkten könnte die Verwendung von Erdgas als Reduktionsmittel bis in die 2030er Jahre als Übergangsschritt akzeptabel sein, da sie im Vergleich zur BF-BOF-Route ein erhebliches Emissionsreduktionspotenzial bietet. Da sich jedoch die tiefgreifende Dekarbonisierung bis 2050 beschleunigen muss, um die Klimaziele zu erreichen, müsse eine klare Strategie für den Umstieg auf grünen Wasserstoff festgelegt werden. Die Umsetzung eines sequenziellen Ansatzes (kurz- bis mittelfristige Nutzung von Erdgas und späterer Umstieg auf Wasserstoff) könnte die Stahlindustrie in die Lage versetzen, in bestimmten Regionen schneller und wirtschaftlicher zu dekarbonisieren.
Unterstützendes Ökosystem Die Einrichtung von Green-Steel-Hubs ist eine komplexe Aufgabe und erfordert den Aufbau neuer Ökosysteme mit zahlreichen Interessengruppen und Partnern, schreiben die Autoren. Darüber hinaus könnten sich die Eigentumsstrukturen solcher Drehkreuze grundlegend von denen traditioneller Stahlstandorte unterscheiden, da auch andere Interessengruppen - wie z. B. Energie- und Infrastrukturunternehmen - potenzielle Anteilseigner sein könnten. Im Falle von Green-Steel-Hubs müssten die Branchengestalter einen integrierten Business Case für alle Interessengruppen entwickeln:
- Bergbauunternehmen. Für HBI-Hersteller werde es von entscheidender Bedeutung sein, Partnerschaften zur Beschaffung von Rohstoffen und dem für die Direktreduktion benötigten hochwertigen Eisenerz zu schließen. Solche Partnerschaften könnten sowohl für HBI-Hersteller als auch für Bergbauunternehmen von wirtschaftlichem Nutzen sein.
- Energieunternehmen. Green-Steel-Hubs benötigen einen garantierten Zugang zu erneuerbarem Strom, Erdgas und (grünem) Wasserstoff, wobei mögliche nationale Energiewendepläne zu berücksichtigen seien.
- Investoren. Der Bau neuer DRI- und HBI-Produktionsanlagen erfordert große Kapitalausgaben und eine intelligente Finanzierung, um die Kapitalkosten zu minimieren. Diese Projekte auf der grünen Wiese könnten sich für Investoren als attraktiv erweisen, da sie als emissionsarme Anlagen mit stabilen Abnahmemengen von Stahlunternehmen fungieren und die Risiken der Rohstoffvolatilität abfedern können.
- Anlagen. Für die Errichtung neuer DRI-Standorte müssen Direktreduktionsanlagen beschafft werden. Um die Produktion der notwendigen Anlagen hochzufahren, müssen die OEMs Talente anwerben und sich um gesetzliche Faktoren wie Subventionen, Genehmigungen und Exportfinanzierung kümmern.
- Regierungen. Green-Steel-Hubs könnten BIP-Wachstum und Beschäftigungsmöglichkeiten für lokale und nationale Regierungen schaffen, doch müssten die Akteure der Branche zunächst zusammenarbeiten, um die erforderlichen Genehmigungen zu erhalten und die Grundlagen für die Entwicklung zu schaffen. HBI-Drehkreuze auf der grünen Wiese benötigen außerdem Zugang zu grundlegender Infrastruktur (z. B. Straßen, Häfen, Netzanschlüsse und Anschlüsse an das Erdgasnetz), was eine Zusammenarbeit mit den lokalen Regierungen erfordern könne. Gleichzeitig könnten Green-Steel-Hubs eine Gelegenheit für Regierungen und Industriegestalter sein, die Wasserstoffinfrastruktur aufgrund der hohen Nachfragekonzentration effektiv zu skalieren.
- Logistikunternehmen. Die Direktreduktions-Standorte müssten starke ein- und ausgehende Logistikkapazitäten aufbauen, um einen stetigen Materialfluss zu gewährleisten. So könnte beispielsweise der Transport von HBI in großen Schiffen erforderlich sein, was wiederum eine geeignete Hafeninfrastruktur (z. B. Tiefseekapazitäten) erfordert.
Damit das Ökosystem funktioniert, ist eine solide Vertriebs- und Markteinführungsstrategie von entscheidender Bedeutung, wie die Analysten festhalten. Der Betreiber des HBI-Hubs müsse sich langfristige Abnahmeverträge mit Stahlunternehmen in den wichtigsten Märkten sichern, sicherstellen, dass die Lieferungen strengen Qualitätsanforderungen entsprechen, und Margen aushandeln, die ein Gleichgewicht zwischen dem wirtschaftlichen Erfolg des HBI-Hubs und der Wettbewerbsfähigkeit der Abnehmer herstellen.
Green-Steel-Hubs sind keine Einheitslösung für die Dekarbonisierung der Stahlindustrie, ziehen die Studienautoren ihr Fazit, aber sie könnten als eine Methode zur Beschleunigung der Dekarbonisierung dienen, insbesondere in stahlproduzierenden Ländern, die hohe Energiekosten haben. Im Laufe der Zeit könnten Green-Steel-Hubs auch verschiedene Teile der Wertschöpfungskette abdecken und Halbfertigprodukte oder Fertigprodukte (wie Brammen oder warmgewalzte Coils) für die globalen Märkte produzieren.
Unternehmen, die Green-Steel-Hubs errichten, müssen sicherstellen, dass die grundlegenden Bausteine für den Erfolg vorhanden sind: Zugang zur Versorgung mit kostengünstigen erneuerbaren Energien und Rohstoffen, minimale Kapitalkosten durch intelligente Finanzierungskonzepte und möglicherweise durch öffentliche Unterstützung sowie eine erfolgreiche Vertriebs- und Markteinführungsstrategie, die langfristige Partnerschaften mit akzeptablen Margen für alle Parteien ermöglicht. Werde es richtig gemacht, könnten Green-Steel-Hubs ein transformatives Instrument für den Übergang der Industrie von einer stark emissionsintensiven zu einer grünen Industrie sein.
Quelle: McKinsey