Verbraucher kennen Haushaltsroboter bislang nur als stumme Saughilfe, die unermüdliche Kreise über den Wohnzimmerboden zieht. Die Vorstellung, den Geräten komplexere Aufgaben zu delegieren oder gar in eine Interaktion mit ihnen einzutreten, klingt für die meisten noch nach Science-Fiction. Doch mit dem „Care-O-bot 4“ bringt die Mojin Robotics GmbH, eine Ausgründung des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), nun einen intelligenten Roboter auf den Markt, welcher den Quantensprung in diesem Forschungsfeld deutlich macht. Im Februar 2018 wurde das Spin-off mit dem Fraunhofer-Gründerpreis ausgezeichnet. Das Gerät soll unter anderem im Einzelhandel sowie in der medizinischen Versorgung eingesetzt werden.
Ein flexibler Helfer
Die mittlerweile vierte Generation der intelligenten Helfer ist das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung. Schon seit den neunziger Jahren arbeitet das Fraunhofer IPA an seinem Care-O-bot. Der erste Prototyp von 1998 war bereits mit einer mobilen Basisplattform und einem dreh- und schwenkbaren Touchscreen ausgestattet. Er konnte einfache Transportaufgaben ausführen und intuitiv mit Menschen interagieren. Seinen ersten Einsatz hatte der Roboter als Messe- und Ausstellungsführer, zum Beispiel im Berliner Museum für Kommunikation.
„In Zeiten radikaler Technologieveränderungen entstehen viele Unternehmen. Das war schon vor 200 Jahren so“, erklärt Professor Thomas Bauernhansl, Leiter des Fraunhofer IPA. „Aus meiner Sicht erleben wir im Moment eine zweite Gründerzeit. Der Erfolg der deutschen Wirtschaft hängt davon ab, wie gut wir diese gestalten. Mojin Robotics ist ein exzellentes Beispiel dafür, wie man durch langfristige Technologieentwicklung auf dem Markt Erfolg hat“.
Diese Einschätzung haben sich die Forscher zu Eigen gemacht. Durch seine Modularität ist der Care-O-bot 4 ohne großen Entwicklungsaufwand für verschiedene Anwendungsfälle konfektionierbar. Mittels Plug and Play kann dem Roboter eine Reihe von Modulen hinzugefügt werden: Ein Torso, ein Hüftgelenk, Kopf und Arme sowie ein Sensorring. Durch hochwertige Sensoren und patentierte Kugelgelenke erhält er überdies ein hohes Maß an Agilität. Mojin Robotics wird auf Basis dieses Modulbaukastens nun Serienprodukte auskoppeln, zum Beispiel den Robo Guide für den Handel.
Breites Spektrum an Einsatzgebieten
Im Januar 2015 wurde der Care-O-bot 4 fertiggestellt und prompt mit dem Red Dot Design Award ausgezeichnet. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern kann er nun als kommerzieller Serviceroboter verwendet werden. Mögliche Arbeitsfelder sind Küchen, Krankenhäuser und Hotels. Dort übernimmt er die Zubereitung des Essens und liefert es im Anschluss aus. Auch die Industrie wird ein Einsatzgebiet bleiben. Hier unterstützt der Roboter das Be- und Entladen sowie die Kommissionierung. Sein Basismodul ist überdies als Transportplattform nutzbar.
Ein weiteres Anwendungsfeld ist der Einzelhandel. In den Saturn-Märkten von Hamburg, Ingolstadt und Berlin begrüßt der Care-O-bot 4 die Kunden bereits als Verkaufsassistent „Paul“. Er kennt das komplette Sortiment und kann die Verbraucher zum gewünschten Produkt navigieren. Dabei mangelt es ihm im Vergleich zu seinen Kollegen aus Fleisch und Blut auch nicht an Humor oder sozialen Umgangsformen. Nach den Vorstellungen seiner Entwickler soll Paul „zuvorkommend, freundlich und sympathisch wie ein Gentleman“ sein, also weit weniger distanziert als seine Vorgängermodelle. Über Pauls Display können sogar mehrere Stimmungen angezeigt werden. Dem Care-O-bot 4 ein menschliches Antlitz zu verleihen, wird das entscheidende Kriterium für seine Akzeptanz beim Kunden werden. Vor allem in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, wo es nicht nur um kognitive Aufgaben, sondern um eine emotionale Beziehung mit dem Klienten geht. Auch für die Pilotanwendung bei MediaMarktSaturn wurde deshalb großer Wert auf eine Sprachinteraktion und die sichere Navigation in einer Einzelhandelsumgebung gelegt.
Seit der Fertigstellung des Prototypen im Jahr 2015 liegt der Entwicklungsschwerpunkt auf kommerziellen Applikationen. „Vor allem im Dienstleistungssektor sehen wir ein großes Potenzial“ erläutert Dr. Alex von Frankenberg, Geschäftsführer des High-Tech Gründerfonds. „Der Fachkräftemangel in diesem Bereich wird sich in den kommenden Jahren immer mehr zuspitzen. Dieser Entwicklung können wir durch mobile Serviceroboter entgegensteuern. Mit dem Team der Mojin Robotics GmbH wollen wir deshalb neue Anwendungsfälle erschließen und so die Servicerobotik revolutionieren“.